Der Wochenmarkt hat eine lange Geschichte,
hier ein kleiner Streifzug

Relativ spät wurde vor einigen Jahren die Architektur der 50er Jahre wiederentdeckt. Für das wohl kurioseste Beispiel der Baukunst jener Zeit kommt das neuerwachte Interesse der Denkmalschützer in Kaiserslautern allerdings zu spät. Der legendäre „Milchpilz“, der einst die Nord-Ost-Ecke des Stiftsplatzes zierte, ist leider längst verschwunden. Der 1952 zum Zwecke der Milchwerbung aufgestellte Kiosk diente zunächst der Milchzentrale als Verkaufsstelle, bevor er in eine Trinkhalle umfunktioniert und schließlich in den Pavillon integriert wurde, den heute die Technischen Werken als Energieberatungszentrum nutzen. Dieser Pavillon wurde abgerissen und mußte einem Hotel, das noch nicht feriggestellt ist, weichen.

Seit vielen hundert Jahren werden Wochenmärkte um die Stiftskirche herum abgehalten. 1929 fotografierte Turgetto den Wochenmarkt auf dem Stiftsplatz, wo dieser seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag stattfindet. Jeden Dienstag und Samstag erfreuen sich die Bürger an dem reichhaltigen Angebot an Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Käse, Eiern und Geflügel. Die Einrichtung dieses Platzes für die Abhaltung eines Lebensmittelmarktes wurde 1850 vom Stadtrat beschlossen und in den folgenden Jahren bis 1860 vollzogen. Einst umsäumten zahlreiche markante Gebäude den Stiftsplatz, wie etwa der „Karlsberg“, die Königliche Filialbank, die Pfälzische Bank, die Rheinische Kreditbank oder die Spittelmühle. Sie sind fast alle dem Zweiten Weltkrieg oder dem nachkriegszeitlichen Städtebau zum Opfer gefallen.

Die Wochenmarktszene auf dem Stiftsplatz (um 1900) ist in mehr als einer Weise aufschlussreich. Vom Standort des Fotografen aus stellt sich der Platz selbst als recht einheitlich dar. Die Randbebauung schafft einen spürbaren Raumcharakter und schließt das Marktgeschehen fast gänzlich ein. Mit Pferdefuhrwerken kamen die Marktbeschicker, meist Selbsterzeuger, vom Land in die Stadt und boten ihre Erzeugnisse an. Ihre „geparkten“ Planwagen vor der Spittelmühle im hinteren Zentrum des Bildes erinnern hier fast an eine Wagenburg aus Wildwestfilmen. Die Waren selbst scheinen eher geeignet, Grundbedürfnisse zu befriedigen. Exotische Früchte, Wurst- und Honigstände sucht man vergebens. Und die nach unserer Auffassung verkaufspsychologisch so wichtige Präsentation? Wie man sehen kann, genügten das Straßenpflaster, ein Sack, ein Korb, eine Karre oder ein Korbwagen vollauf. Urig war’s eben noch. Ganz nebenbei gibt die Aufnahme aber noch mehr her. Wie man besonders an den Frauen erkennen kann, spiegelt das Marktleben hier auch gesellschaftliche Strukturen wider. Da steht die Landfrau mit rustikaler Schürze und Kopftuch, das Dienstmädchen – bei der Herrschaft „in Stellung“ – macht Einkäufe, und die Arbeiterfrau ist ebenso vertreten wie die „Gnädige“ in modisch eleganter Aufmachung. Der Markt war (und ist?) eben doch mehr als nur Markt.

Das Bild aus den 60er Jahren zeigt in der Tat einen anderen Stiftsplatz als den, dem man heute oft nachtrauert, wenn man den Namen nennt. Aber sein „endgültiges Gepräge“, wie manche glaubten oder befürchteten, erhielt er durch diesen Bau dennoch nicht. Inzwischen gehört auch das Kaufhausgebäude mit seiner einfallslosen Architektur und seiner nichtssagenden „Schauseite“ der Geschichte an. Umgestaltungen haben stattgefunden, der „Stiftsplatz 5“ ist daraus entstanden…, und wenn nicht alles täuscht, wird auch das noch nicht das Ende der Geschichte sein.